Die Biene, ein staatenbildendes Insekt

Der Bienenstaat

Das Bienenvolk setzt sich zumindest von April bis September aus 3 unterschiedlichen Individuen zusammen:

1. Einer Königin

Sie allein legt die Eier, darüber hinaus produziert sie noch chemische Stoffe (Pheromone), die den übrigen Bienen signalisieren, dass sie sich noch im Stock befindet. Einige Tage nach dem Schlupf aus der Weiselzelle geht sie mehrmals auf Begattungsflug, paart sich an Drohnensammelplätzen mehrmals mit ihren männlichen Artgenossen und speichert deren Spermien in den 2 Spermatheken für den Rest ihres maximal 5 jährigen Lebens.

2. Einigen hundert Drohnen

Ihnen kommt nur eine wichtige Aufgabe zu. Ein einziges Mal können nur einige von ihnen die Königin eines anderen Stocks auf deren "Hochzeitsflügen" begatten. Sie sterben kurz nach Erfüllung ihrer einzigen Aufgabe. Die übrigen werden noch Ende Juli von den Arbeiterinnen aus dem Bienenstock herausgetrieben oder gar erstochen. Die Überlebenden haben aber nicht mehr viel davon. Da sie auch nicht mehr gefüttert werden, verhungern oder erfrieren sie oder werden von Feinden verspeist.

 3. Einigen zig-tausend Arbeiterinnen

Sie sind für den Rest der Aufgaben zuständig.

In den ersten ca. 3 Wochen ihres Lebens als fertig ausgebildete Biene verrichtet sie alle Arbeiten im Stock.

a) Reinigen der Waben und des Stocks,

b) Füttern der Brut und Weisel (Königin), Produktion von Gelee Royale

c) Einlagern von Vorräten, Bearbeiten des Honigs,

d) Bau von Waben, Produktion von Bienenwachs.

e) Klimatisieren des Stocks,

f) Verteidigung,

g) Den Rest ihres Lebens verbringt sie mit dem Ernten von Pollen, Nektar, Honigtau, Wasser und Kittharz.

Gerne wird dabei von einem festgelegten altersabhängigen Ablauf der Aufgabenbereiche gesprochen. Weitgehend ist das zwar richtig, aber es gibt Ausnahmen.

1. Die angegebenen Zeiten werden oft von den Bienen nicht eingehalten.

2. In Notsituationen können bereits beendete Aufgabenfelder wieder aufgenommen werden.

3. In einem durchs Schwärmen neu entstandenem Volk fehlen die Jungbienen. Sie schlüpfen erst ca. 3 Wochen später. Also muss eine Rückverlagerung der Aufgabenfelder erfolgen.

  4. Vom "Wächterdienst" sind relativ wenige Bienen betroffen. Ich habe noch nie 2000 bis 6000 Individuen beim "Wache schieben" gesehen. Also müssen etliche Individuen diese Phase wohl überspringen. Und ist Not am Manne (hier eher an der Frau) springen die Sammlerinnen ein.

Der "Bien"

Alle Individuen eines Bienenvolks leben nach dem Prinzip, das Volk als solches muss überleben und gedeihen, und das geht nur, wenn sich tatsächlich alle Einzeltiere diesem Prinzip untergeordnet haben. Das einzelne Tier ist nichts, die Gesamtheit alles. Kein Einzeltier kann individuell überleben. Selbst die Königin geniest keine herausragende Stellung. Sie hat Eier zu legen und Pheromone zu produzieren, darf den Stock nur zur Schwarmzeit verlassen. So greift alles ineinander; die Bienengruppen funktionieren wie Organe in einem Gesamtorganismus, der in ständiger Bewegung, Auflösung und erneuter Zusammensetzung begriffen ist. So wird ein Bienenvolk gern als eine Einheit, ein Organismus gesehen und dann auch folgerichtig der Bien genannt. Nicht das Legen von Eiern und die daraus folgende Entwicklung der einzelnen Bienen gilt hier als Vermehrung wie bei den meisten anderen höher entwickelten Lebewesen (inclusive Mensch) sondern die Teilung des Volkes, eher vergleichbar mit der Teilung niederer Lebewesen wie Einzeller oder Bakterien.

Weisellosigkeit

Wie fast jedes Lebewesen wird die Königin irgendwann sterben, sei es durch Überalterung, ungeschicktes Hantieren des Imkers, Krankheit oder durch Fressfeinde. Für ein Volk könnte dies das Ende bedeuten, da die Königin allein für Nachwuchs sorgt - von der kurzzeitigen Mitwirkung einiger Drohnen einmal abgesehen. Aber ganz so hilflos sind die Völker dennoch nicht. Ist die Königin alt, so lässt auch meist ihre Pheromonproduktion nach. Dies ist das Signal für die Bienen, sich eine neue Königin heran zu ziehen. Einige junge Larven (maximal 3 Tage alt) werden ausgewählt. Sie werden fortan nur noch mit Gelee Royal gefüttert und ihre kleine Zelle wird zu einer geräumigen Weiselzelle erweitert. Da hierbei die neuen Königinnen "nachgeschaffen" werden, nennt der Imker diese Zellen Nachschaffungszellen. Diese finden sich oft auf der Wabenfläche. Konnte die Altkönigin noch eine zukünftige Weiselzelle bestiften, kann diese wie eine Schwarmzelle am unteren Rand einer Wabe angelegt sein.

Die zuerst geschlüpfte Weisel tötet ihre Standesgenossinnen und lässt sich auf ihren Hochzeitsflügen mehrmals begatten und beginnt, sofern alles gut verlaufen ist, wenige Tage später mit der Eiablage (und nicht mit der Stiftablage). Die alte Königin wird meist spätestens jetzt ins Jenseits befördert.

Wurde dieses Volk sich selbst überlassen, hat es Glück gehabt. Ein etwas unerfahrenerer Imker hätte bei seiner wöchentlichen Durchsicht die Weiselzellen entdeckt, herausgebrochen, um einen drohenden Schwarmabgang zu verhindern oder bestenfalls einen Ableger gebildet.

Findet man neben diesen Schwarmzellen keine Stifte mehr, ist Vorsicht mit dem Herausbrechen geboten.

Drohnenbrütigkeit

Ist nun doch alles schiefgelaufen und das Volk kann keine Königin mehr nachziehen, werden einige Arbeiterinnen vom Volk zu Ersatzköniginnen erkoren, indem sie nur noch mit Gelee Royale gefüttert werden. Nach mehreren Tagen reifen ihre Eierstöcke heran und sie sind nun tatsächlich in der Lage, Eier zu legen. Leider fehlt diesen Hoheiten die entscheidenden kurzen Momente mit den männlichen Artgenossen. Also gibt es keine befruchteten Eier und somit besteht der gesamte Nachwuchs nur aus Drohnen. Ihre Mütter nennt der Imker fast zärtlich - obwohl er sie wringeln könnte - Drohnenmütterchen. Ein derartiges Volk ist trotz eingeleiteter Rettungsmaßnahmen nur sehr schwer zu retten. Da es inzwischen auch recht klein geworden ist, empfiehlt es sich, alle Bienen mindestens 5 Meter von anderen Bienenstöcken entfernt aus ihrem Stock heraus ins Gras zu kehren und so das Volk aufzulösen. Die Bienen werden sich größtenteils in anderen Völkern einbetteln, während die Ersatzköniginnen abgewiesen werden.

 

Rettung eines drohnenbrütigen Volks

Ist das Volk dagegen noch stark genug, könnte man folgendes probieren: Die gesamte Beute wird einige Meter beiseite gestellt. Auf den ursprünglichen Platz kommt ein Ableger mit einer Weiselzelle. Alle Flugbienen finden sich nach einem Flugtag hier ein; die Drohnenmütterchen mit einigen Restbienen bleiben zurück. Diese werden am nächsten Flugtag ins Gras geschüttet. Die Waben ohne Drohnenbrut kommen zurück in den Ableger.

Als Variante könnte folgende Vorgehensweise zum Erfolg führen. Alles wird wie zuvor gemacht. Als Ableger dient jedoch eine Zarge mit einer Königin und einem kleinen Volk. Diese Zarge steht auf einer anderen mit leeren Waben. Beide Zargen werden mit einem bienenundurchlässigen Zwischenboden getrennt. Nach einer Woche bei der nächsten Durchsicht wird dieser entfernt. Die Trachtbienen des weiselrichtigen Volks finden früher oder später den unteren Eingang. Dieser Prozess sollte möglichst früh und bei gutem Trachtwetter erfolgen.

 

Aufbau des Bienennests
nächste Seite